Hans Martins Bastelseiten

Wie schnell fährt das Licht auf meiner Spielzeugeisenbahn ?

Letzte Erstellung dieser Seite: 22.4.2024

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Die Messung der Ausbrei­tungs­geschwin­digkeit des Stroms entlang der Schienen meiner Spur-Null-Blech­eisen­bahn

...war schon immer eine Heraus­forderung, die ich nun endlich gemeis­tert habe, und zwar mit Röhren.

Dieses Gleisoval aus Blech­schienen hat einen Durch­messer von 1,2 und eine Länge von 1,8 m. Die Gleis­länge beträgt 4,72 m. Ein Strom­impuls, den man an die Mittel­schiene zwischen den beiden Außen­schienen legt - letztere liegen auf Masse­poten­tial - sollte knapp 16 Nano­sekunden für einen Umlauf benötigen. Licht und alle anderen Arten von elektro­magneti­schen Feldern breiten sich mit 300.000 km/s aus.

Erster Schritt, die Gleis­arbeiten. Zuerst muß ich die fast 70 Jahre alten Blech­gleise ohne Wackel­kontakte zusammen­stecken. Das ist leichter gesagt als getan. Ohm­meter, Zange und Schleif­papier tun Schwerst­arbeit.

Dabei frage ich mich, wie groß eigentlich der Wellen­wider­stand von Spiel­zeug­gleisen ist. Den muss ich wegen der Anpas­sung der Leitungen in etwa wissen. "Der Wellen­wider­stand Z einer Leitung ist die Quadrat­wurzel aus dem Verhält­nis von Induk­tivität L' pro Meter und Kapa­zität C' pro Meter". So oder so ähnlich steht es im Küpfmüller:

Also Z = (L'/C')1/2. Dann ist da ein Bild auf S. 411 mit zwei Schienen im Abstand a und mit Durch­messer d, und auf der folgenden Seite ist ange­geben, dass C' = 12,08 / log10(2a/d), in nF/km, sowie L' = 0,922 log10(2a/d) ind mH/km.

Mit der Schiebe­lehre finde ich d = 19 mm und a = 8 mm. Na ja, so rund wie auf der Abbil­dung im Küpf­müller sind die Schienen­profile einer Spiel­zeug­eisen­bahn eigent­lich nicht. Egal, ich komme auf 188 Ω. Doch halt, sind es hier nicht drei Schienen statt zwei ? Zwei mal der Küpf­müllersche Leiter­quer­schnitt parallel. Also ist der Wellen­wider­stand davon die Hälfte: Z = 94 Ω. So einfach ist das!

Die Messmethode: das Gleis­oval wird an einer Stelle aufge­trennt. Eingang und Ausgang eines Rück­kopplungs­verstär­kers sowie das Mess­instrument, nämlich mein 2-Kanal-Digital­oszil­loskop, werden hier ange­schlossen.

Das obige Bild zeigt den Schalt­plan der Verstär­kers. Er nimmt ein Signal von einem Ende des unter­brochenen Schienen­kreises auf und gibt es verstärkt an das andere Ende weiter. So entsteht ein perio­disches Signal. Die Wellen­lauf­zeit bestimmt man am Schirm des Oszil­loskops.

Dabei ist ganz besonders wichtig, dass die verschie­denen Ein- und Ausgänge sowie die Leitungen mit ihrem korrekten Wellen­wider­stand abges­chlossen werden. Andern­falls hat man an den Verbindung­spunkten Wellen­reflexionen. Diese machen jede Lauf­zeit­messung hinfäl­lig, weil die Impulse nicht mehr eindeutig zu erkennen sind.

Der fliegende Aufbau: Doppel­trioden vom Typ ECC 85 oder PCC 88 mit hoher Stei­lheit eignen sich hierfür beson­ders. Die Verbin­dungen müssen so kurz wie möglich gehalten werden, damit nicht die Eigen­indukti­vität der Leitungen das Signal verfälscht. Alle Masse­kontakte werden auf ein Blech oder auf ein Stück Kupfer­folie gelötet. Die Verbin­dungen zum Oszil­loskop werden mit BNC-Buchsen über zwei genau gleich lange 50-Ohm-Koaxial-Mess­leitungen herge­stellt.

Die linke Triode Rö1 arbeitet hierbei als Vorver­stärker in Gitter­basis­schaltung. An Punkt "A" im Plan wird hier das Signal vom Gleis der Kathode zugeführt. Eine Triode hat in Gitter­basis­schaltung eine Eingangs­impedanz Rin = 1 / S, wobei S ihre Steil­heit ist. Bei der ECC 85 sind das 6 mA/V. Folglich ist Rin = 167 Ω. Dazu parallel liegt ein 390-Ω-Wider­stand an der Kathode. Der Eingangs­wider­stand unseres Verstär­kers ist also 110 Ω. Wir sind zumindest nicht ganz daneben, im Vergleich zu 94 Ω. Mit einer PCC 88 lägen wir sogar etwas günstiger.

Die zweite Triode Rö2 arbeitet in Anoden­basis­schaltung. Sie wird von Rö1 über den HF-Trafo Tr ange­steuert und schickt an Punkt "B" einen neuen Impuls auf den Weg um das Oval. Der Ausgangs­wider­stand einer solchen Schal­tung ist gleich Rout = 1 / S. Also liegen wir auch hier wieder bei 110 Ω!

Die Messung läuft. Oszi, Netzgerät und Verstär­ker sind in Position. Ein paar Detail­fotos:

Der HF-Trafo im Rück­kopplungs­verstärker mit dem verschieb­baren Ferrit­kern. Primär 20 und sekundär 10 Windungen aus PVC-iso­lierter Modell­eisen­bahner-Litze auf einem selbst­gebastel­ten Holzrohr. Ein Ferrit­stab wird dort hinein­geschoben, um die Indukti­vitäten zu verändern. Er wirkt als Frequenz­filter im Bereich zwischen 5 und 30 MHz und unter­bindet wilde Schwin­gungen. Ich stelle ihn so ein, dass ein klares, gut ables­bares Signal entsteht.

Vor die Eingänge meines fast 20 Jahre alten Tektronix-Digital­oszil­loskops TDS 220 habe ich diese grauen Leitungs­wider­stände von je 50 Ω eingesetzt. Sie bilden den Leitungs­abschluss vor den eigent­lichen Eingängen, die 1 MΩ Impe­danz haben. Neuere Oszil­loskop­typen brauchen das in der Regel nicht mehr. Man kann dort die Vor­wider­stände per Tasten­druck intern zuschalten.

Ein Ergebnis ist da. Oberes und unteres Oszil­logramm sind Eingangs- und Ausgangs­impuls am Gleis­oval, Punkt "B" bzw. "A" aus dem Plan. Die Zeit­achse ist auf 10 ns/cm einge­stellt. Vergleichen wir die Position der Spitzen beider Signale: sie sind ziem­lich genau 10 Nano­sekunden zeitver­schoben. Das Signal verformt sich aber bei seinem Weg entlang der Blech­gleise deutlich. Die Impuls­spitze wird höher und schmaler. Betrachten wir die Knick­punkte, wo die Impuls­flanken zu dem Impuls­spitzen aufzu­steigen beginnen, dann ist die gemessene Zeit­differenz jedoch 15 ns. Geschwin­digkeit ist Weg geteilt durch Zeit. Die Impuls­spitzen bewegen sich mit 472.000 km/s, aber die Impuls­flanken mit gerade einmal 307.000 km/s. Wie dem auch sei: immerhin liegen wir mit diesem Resul­tat schon mal in der korrekten Größen­ordnung.


Ein Fazit:


Natürlich habe ich auch Messungen an elektri­schen Verlänge­rungs­kabeln, Instal­lations­kabeln, Auto-Starter­kabeln und ähnlichem gemacht. Diese Messungen verliefen oft sehr unein­deutig. Die Impulse waren am Ende der Leitung stark verwaschen und oft kaum noch genau lokali­sierbar. Dieser Effekt kommt vermutlich von der starken Dämpfung, welche die dort verwen­deten Isolation­smateria­lien der Ausbrei­tung hochfre­quenter Wellen entgegen­stellen. Solche Leitungen sind für 50 Hz gemacht. Im Bereich von vielen MHz sollen sie die Wellen­ausbrei­tung dagegen unter­binden. Das ist ja durchaus vernünf­tig, damit wir zu Hause nicht im Elektro­smog unserer Küchen­geräte, Schalt­netz­teile und Energie­spar­lampen ersticken.

Dagegen sind die Gleise einer alten Blech­eisen­bahn fast überall nur durch Luft vonei­nander isoliert, die prak­tisch keine Dämpfung hervor­ruft. Sie eignen sich für solche Versuche daher sehr viel besser. Es gibt also einen präzisen Grund, weshalb ich dieses Expri­ment mit Modell­eisen­bahn-Zubehör gemacht habe.

Übrigens, natürlich verkehrt auch ein Zug auf dem Gleis­oval. Der aber läßt sich für die Runde sehr viel mehr Zeit als das Licht. Mehr dazu lesen Sie hier.